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Think! Gründer Martin Koller im Interview

Wer steht eigentlich hinter Think!? Wie tickt der Gründer der Marke, was ist ihm wichtig und mit welchem Selbstverständnis geht er an die Arbeit? 

Wir haben Martin Koller getroffen. Im persönlichen Gespräch steht er uns Rede und Antwort. Und erklärt, was Inspiration für ihn bedeutet, warum er seinen Beruf so mag, welche Schuhe er privat trägt und was Indianer damit zu tun haben.

Wer sind Sie und woher kennt man Sie?

Mich kennt man hoffentlich gar nicht. (Lacht charmant) 


Ich habe es immer vermieden, in der Öffentlichkeit zu stehen. Deswegen heißt die Firma auch Think! und nicht Martin Koller Shoes. Ich bin kein Star, sondern einfach der Gründer der Marke Think!, die Schuhfirma selbst habe ich ja von meinen Eltern übernommen.

Wofür stehen Sie?

Die Ur-Idee von Think! entstand Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre mit der Frage: Warum müssen bequeme Schuhe hässlich sein? Es gab eigentlich immer nur zwei Sorten Schuhe: Schön und überhaupt nicht fußgerecht oder scheußlich und bequem. Bequeme Schuhe waren immer hässliche Schuhe. Grau, Beige, für Tante Erika zum Taubenfüttern im Park.


Schon für mich selbst wollte ich immer schon bequeme Schuhe, die aber besser aussehen sollten, als es damals Standard war. Kurzfristige Lifestyle-Mode hat mich nie interessiert, ich wollte immer etwas Eigenes, Schräges, Besonderes haben. Bei Think! ging es dann auch um Grundsätzliches wie Schadstofffreiheit, Nachhaltigkeit, eine eigene Handschrift, die kleinen, außergewöhnlichen Details.

Haben Sie ein Mantra?

Es gibt kein Mantra, das ich an die Wand pinne, aber ich mag den Satz: „Liebe ist kein Gefühl, Liebe ist eine Entscheidung.“ Das gilt für alle Lebensbereiche, da steckt viel drin. Darüber denke ich nach, ich beschäftige mich einfach gerne mit Philosophie im Alltag.


„Liebe ist kein Gefühl, Liebe ist eine Entscheidung.“

Sind Sie ehrgeizig?

Meine Energie fließt in meinen eigenen Anspruch an mein Produkt. Ich kann keine Kollektion fertigmachen, nur weil ich einen Abgabetermin habe und „lass gut sein“ sagen. Ich arbeite bis zum letzten Abdruck, denn ich will vor mir selber sagen können: Ich habe alles gegeben, um meinen Ansprüchen zu genügen. Ich möchte mir nicht selbst das Gefühl geben, es easy gemacht zu haben.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Das Wort „Stolz“ mag ich nicht. Ich bin gerne froh, glücklich, dankbar. Stolz kann ich doch nur sein auf Dinge, die ich ganz alleine, ohne Hilfe, Zufälle, glückliche Fügungen geschafft habe. Doch es gibt kaum etwas, was ich ohne Input und Unterstützung geschafft habe. Das Richtige zur richtigen Zeit ist auch immer mit den richtigen Menschen passiert. Ohne die Basis der Firma meiner Eltern, ohne die Kreditverlängerung meiner Bank damals, ohne meine Mitarbeiter und Zulieferer wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Rund um die Marke Think! passiert so viel Teamarbeit, das ist keine One-Man-Show.

Was würden Sie anders machen, wenn Sie könnten?

Rückblickend gesehen kann ich nichts ungeschehen machen, aber ich könnte natürlich jederzeit morgen aufhören. Nur: Will ich das? Es macht keinen Sinn, sich über Hätte und Könnte Gedanken zu machen. Das Leben findet im Jetzt statt. Es gibt nichts, was ich wirklich bereue. Für mich hat es immer gepasst. Ich würde alles im Großen und Ganzen wieder so machen.

"Das Leben findet im Jetzt statt."

Was ist das Wichtigste an Ihrem Beruf?

Schwierige Frage. Ich weiß was das Schönste ist, aber nicht, was das Wichtigste ist. Das Schönste ist, wenn eine Sache genau so funktioniert, wie vorgestellt, wenn ich von A-Z Ideen umsetzen kann. Ich habe die Grundidee, das Material, die Farbe eines Schuhs im Kopf. Wenn dieser dann wirklich genauso geworden ist, wie ich es wollte, wenn aus Fantasie Wirklichkeit geworden, wenn ein Schuh auch am Fuß gut aussieht und nicht nur im Regal, das ist unbezahlbar. Dieser spezielle Glücksmoment, wenn ich sage: Ja, das ist cool geworden.

Wo finden Sie Ihre Inspiration?

Ich glaube, du musst dich für viele Dinge interessieren, dann findest du auch Inspiration. Du musst offen sein. Wenn dich im Leben etwas interessiert, gehst du dieser Sache nach. Mich interessiert Kunst, Architektur, Inneneinrichtung, ich lese die absonderlichsten Zeitschriften.


Die Inspiration findet mich. Ich sehe etwas und denke: „Wow, cool“. Bei mir entsteht wahnsinnig viel im Tun. Ich bastle an Ideen herum, mein Schreibtisch sieht aus, als ob eine Bombe eingeschlagen hätte, ich überlege mir was oder lasse mir was nähen, so kommen mir Ideen, was man machen könnte. Es gibt keinen magischen Ort, kein weißes Zimmer der Inspiration.

"Für ein gutes Ergebnis musst du einen Haufen probieren, neu machen, ändern. Wie macht man 10 tolle Schuhe? Du brauchst 100 tolle Ideen und musst 90 wieder verwerfen."

Wie viele Paar Schuhe besitzen Sie?

Fünf Paar identische Schuhe. Alle schwarz. Dazu noch ein Paar Sneaker, ein Paar Wanderschuhe und Schlappen für den Garten. Ich beschäftige mich den ganzen Tag mit Mode und Farben, diskutiere mit meinem Team eine halbe Stunde über Blautöne, da mag ich privat größtmögliche Schlichtheit.

Was bedeutet für Sie Qualität?

Qualität ist wahnsinnig schwer zu definieren. Viele Leute definieren Qualität über Haltbarkeit. Natürlich muss ein Schuh halten. Gleichzeitig ist Robustheit nicht das einzige Merkmal. Ja, vielleicht eigenen sich feine Velourlederschuhe nicht unbedingt zum Schwammerlsammeln im feuchten Wald. Ein billiges Baumwollhemd vom Discounter hält mehr aus, als ein Hemd aus reiner Seide. Aber ist es deshalb von besserer Qualität? Es gibt da diesen Begriff der „Premium-Anmutung“: Was soll das sein? Entweder etwas ist Premium, oder es sieht nur so aus. Bei Think! füttern wir unsere Schuhe auch da mit Leder, wo es keiner sieht. Qualität bedeutet für mich: Keine Kompromisse.


Deshalb versuchen wir, nach unseren Kriterien den bestmöglichen Schuh zu machen. Doch vielleicht ist er eben nicht für jeden etwas. Vielleicht passt der Schuh nicht zum Fuß. Es gibt nicht „den“ besten Schuh der Welt.

"Qualität bedeutet für mich: Keine Kompromisse."

Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie?

Nachhaltigkeit ist: Kauf dir weniger Schuhe. Schmeiß weniger weg. Klingt radikal, aber ich glaube, wir müssen weg vom schnellen Konsum. Als Unternehmen achten wir darauf, welche Materialien und Verfahren wir verwenden. Nachhaltigkeit ist mehr als ein gutes Gewissen, es ist eine Haltung.

Was ist Ihre Lieblingsbeschäftigung?

Beruflich: Schuhe machen. Privat: Auf Reisen Neues entdecken.

Woher kommen eigentlich die Namen der Think! Schuhe?

Vor 20 Jahren waren es Namen von Indianerstämmen, danach kamen Gewürznamen, bis alle Gewürze irgendwann durch waren, dann Opern und Dialektausdrücke. Es gibt kein System. Das entsteht eher spontan.

Wieso heißt Think! Think!?

Als es mit der Marke losging, war ich im Grunde ein kleiner Junge, der noch nie mit einer Agentur gearbeitet hatte, sondern einfach immer nur Schuhe gemacht hat. Ich war 23, als ich im Rahmen der Gründung Werbematerial brauchte, also auch einen Namen. Die Deadline für die Druckabgabe eines Messeprodukts lag mitten im Trubel des Produktionsprozesses. Zwischen Diskussionen über ökologische Nähfaden, das richtige Leder oder die Verwendung von Filz anstelle von Synthetik, lief im Hintergrund das Radio. Phil Collins: „Oh think twice, it's another day for you and me in paradise“. Da war er dann, der Name. Think!

Sind Think! Schuhe Luxus?

Gute Frage! Für viele Leute schon. Aber wie definiere ich Luxus? Ich weiß, dass unsere Schuhe nicht billig sind. Aber wir sind keine Luxury Brand. Ich will, dass unsere Schuhe einen fairen Preis haben, für den es einen realen Gegenwert gibt.

"Ich bin kein Künstler, sondern sehe mich als kreativen Handwerker, der gute Schuhe für echte Menschen macht."

Wie lange dauert es einen Think! Schuh zu entwickeln?

Ist es ein völlig neuer Schuh? Oder ein neuer Schnitt eines bereits bestehenden Modells? Der Leisten ist das A und O, die Vorlaufzeit für jede Produktion ist technisch bedingt sehr lang. Minimum benötigt die Entwicklung – von der ersten Idee bis zum Prototypen – 6-8 Wochen.


Da muss alles stimmen. Ich bin kein Künstler, sondern sehe mich als kreativen Handwerker, der gute Schuhe für echte Menschen macht.

Was sind die herausforderndsten Momente Ihres Alltags?

Kreative Herausforderung hält mich am Leben, ich mag Zeitdruck und Termine. Das banale „Alltagsgemurkse“ – falsch zugestellte Lieferungen, offen gelassene Türen, nicht ausgeschaltete Lichtschalter – kostet am meisten Nerven.

Und was sind die Schönsten?

Wenn Sachen funktionieren, die man in der Fantasie entwickelt hat, die nur im Kopf existieren und eines Tages wirklich vor einem stehen. Dieses „genauso wollt’ ich’s und genauso ist es geworden“ ist der größte Glücksmoment.


Vielen Dank für dieses ausführliche Gespräch!